Es hätte so schön sein können. Ein entspannter Familienausflug, ein bisschen frische Luft, ein Eis für die Große, ein Nickerchen für die Kleine. Wir hatten alles im Kofferraum, sogar ein Picknick – ich war vorbereitet wie ein Pfadfinder auf Speed. Bis auf eine winzige Kleinigkeit: einen Plan B fürs Wickeln. Oder einen Plan überhaupt.
Denn was ich an diesem sonnigen Samstag lernen sollte: Wickeln auf der Rückbank ist keine Lösung. Es ist ein Abenteuer. Eins mit Geruch, Geschrei und einer neuen Definition von Körperbeherrschung – und einer ganz neuen Art, die Grenzen des elterlichen Improvisationstalents kennenzulernen.
Der Moment, in dem ich dachte: „Das passt schon irgendwie“
Wir waren gerade auf dem Rückweg vom Tierpark. Kind 1 schlief im Kindersitz, Kind 2 meldete sich mit diesem speziellen Quengeln, das ungefähr bedeutet: „Mein Hintern glüht, kümmere dich sofort oder ich geh auf Sendung.“
Kein Wickeltisch in Sicht. Kein Café, kein McDonald’s, keine Parkbank mit flacher Ablage. Also blieb nur eins: das Auto. Ich hatte schon mal gesehen, wie andere das machen – lässig, souverän, als wäre es das Normalste der Welt. Ich fühlte mich bereit.
Ich parkte am Straßenrand, warf einen schnellen Blick auf meine Frau, die gerade mit halbem Ohr einen Podcast hörte, und sagte: „Ich übernehme das!“ Ihre Augen sagten „Mutig“, ihr Mund sagte „Viel Glück“. Ich interpretierte beides als Zustimmung.
Das Setting – und die ersten Probleme
Kind raus, Rückbank freigeräumt. Tasche geschnappt, Wickelunterlage ausgelegt – zumindest halb. Die Rückbank war zu schmal. Der Kindersitz im Weg. Das Licht zu grell. Und ich zu optimistisch.
Ich legte die Kleine auf die Unterlage, sie strampelte fröhlich los. Ich öffnete die Windel. Und da war er – der Moment, in dem ich wusste: Ich habe einen Fehler gemacht. Ein ganzes Wochenende Wickelstau hatte sich in dieser Windel versammelt. Ich roch Dinge, die in keinem Babybuch erwähnt werden.
Aber ich blieb tapfer. Ich griff zu den Feuchttüchern. Der erste Wisch. Der zweite. Dann fiel mir auf: Ich hatte die Packung nicht richtig geschlossen – alle Tücher trocken. Natürlich.
Improvisation auf Papas Art
Ich wühlte in der Tasche. Kein Wasser. Kein Ersatzpack. Dafür eine halbleere Flasche Apfelschorle und eine angebrochene Packung Taschentücher. Ich nahm, was ich hatte. Schorle auf Taschentuch – das war ab sofort mein Plan.
Die Reaktion des Babys war eindeutig: ein empörter Aufschrei, gefolgt von einem gezielten Tritt. Direkt gegen meinen Becher Kaffee, der in der Türablage stand. Der Deckel flog, der Kaffee landete – auf meiner Hose, auf dem Sitz, auf der Wickeltasche. Ich fluchte leise. Dann laut. Meine Frau starrte mich aus dem Augenwinkel an, sagte nichts – was mehr sagte als tausend Worte.
Der Windelblitz schlägt zu
Ich hatte es fast geschafft. Die alte Windel war weg, der Po war notdürftig gereinigt (mit Apfelschorle – ich weiß), die neue Windel lag bereit. Ich hob die Beine, schob die Windel drunter – und da kam sie: die Nachladung. Ein feiner, warmer Strahl, direkt in meinen Ärmel.
Ich saß da, wie festgetackert. Meine Tochter lachte, meine Frau stieg aus dem Auto, sah die Szene – und machte ein Foto. Für später, sagte sie. Für Instagram, dachte ich. Ich versuchte, den Schaden zu begrenzen, aber das Baby hatte nun endgültig Gefallen daran gefunden, sich zu drehen. Nach links, nach rechts, mit einer Eleganz, die jeder Turnerin zur Ehre gereicht hätte. Nur dass sie dabei eine feuchte Spur hinterließ und ich langsam das Gefühl hatte, in einem schlechten Sketch zu spielen.
Und dann fiel mir auf: Ich hatte keine Ersatzkleidung für das Baby mitgenommen. Und keine Plastiktüte für die gebrauchte Windel. Die Folge: Ich saß irgendwann da, mit einer in Zeitungspapier gewickelten Windel (man nimmt, was man hat), einem Baby in Pulli und Decke eingewickelt, und einem Gesichtsausdruck irgendwo zwischen Erschöpfung und Wahnsinn.
Nach 20 Minuten: ein Baby mit frischer Windel und ein Papa am Rand des Nervenzusammenbruchs
Ich hatte es geschafft. Irgendwie. Die Windel saß, das Kind war wieder zufrieden. Ich war durchgeschwitzt, roch nach Kaffee und Babykot, und mein Arm klebte. Meine Frau reichte mir ein Feuchttuch aus ihrer Handtasche. Eines. Trocken. Ich musste lachen. Ein bisschen hysterisch, aber ehrlich.
Der Rückweg war still. Die Kinder schliefen. Ich blickte aus dem Fenster, starrte ins Leere und fragte mich, warum ich dachte, ich könnte das meistern. Und dann fiel es mir ein: Weil ich ein Papa bin. Und Papas probieren eben einfach aus, was geht – bis es nicht mehr geht. Und das ist okay. Man wächst mit seinen Windeln. Oder so ähnlich.
Der Nachklapp – oder: Wie man sich vorbereitet
Zuhause angekommen, schwor ich mir: Nie wieder ohne vollständige Wickelausrüstung. Ich bestellte noch am selben Abend eine Reise-Wickelmatte mit integriertem Feuchttuchspender, eine Thermosflasche für warmes Wasser und ein Notfallset mit Ersatzbody, Plastiktüten und Desinfektionsspray.
Ich packte alles in eine neue, übersichtliche Tasche. Ich fühlte mich wie ein Profi. Und ich wusste: Das nächste Mal bin ich vorbereitet. Wirklich.
Bis ich zwei Wochen später im Park stand, das Notfallset im Auto lag und der Wickelwahnsinn von vorn begann. Aber das ist eine andere Geschichte.
Die Lektionen dieses Tages
- Wickeln auf der Rückbank klingt machbar – ist es aber nicht.
- Feuchttücher sind keine Option. Sie sind Pflicht. Immer doppelt einpacken.
- Apfelschorle ist kein Reinigungsmittel. Wirklich nicht.
- Dein Kind wählt den ungünstigsten Moment für die Nachladung. Immer.
- Der Kaffeebecher gehört nicht in Reichweite eines strampelnden Babys.
- Nimm immer ein Ersatzshirt für dich selbst mit. Wirklich. Tu’s einfach.
- Zeitungspapier ist keine gute Windelverpackung, aber es funktioniert.
- Und: Humor hilft. Auch wenn du gerade in Baby-Pipi badest.
- Und vielleicht das Wichtigste:
- Du bist nicht allein. Jeder Papa da draußen hat so einen Moment. Oder drei. Oder zwölf. Und genau diese Momente machen uns zu dem, was wir sind: engagierte, liebevolle, leicht überforderte – aber ganz und gar echte – Väter.
Warum ich diese Geschichte trotzdem liebe
Weil sie zeigt, dass Papa sein eben nicht nur Kuscheln und Kinderlachen ist. Sondern auch Stress, Geruch und Chaos. Aber genau in diesen Momenten, wenn du bis zum Ellbogen in der Apokalypse steckst, entsteht Bindung. Nicht durch perfekte Bilder, sondern durch echte Erfahrungen.
Mein Kind hat vielleicht nichts davon mitbekommen. Aber ich schon. Und wenn ich heute zurückdenke, muss ich lachen. Und ein bisschen weinen. Vor allem aber bin ich stolz. Auf diesen verrückten, stinkenden, lehrreichen Moment auf der Rückbank.
Denn am Ende zählt nicht, ob alles glattgelaufen ist. Sondern, dass man es gemacht hat. Dass man da war. Dass man versucht hat, einen kleinen Po trocken und ein kleines Herz zufrieden zu bekommen. Und das ist – trotz Apfelschorle, Windelkatastrophe und Kaffeehose – das Größte, was wir tun können.