Es fing so harmlos an. „Kannst du kurz in die Drogerie fahren und Windeln holen?“ – ein Satz, der klingt wie: rein, Regal finden, Windeln schnappen, raus. Maximal 10 Minuten. Ich war motiviert. Ich war guter Dinge. Ich hatte sogar noch gesagt: „Klar, ich nehm die Große mit, bisschen Papa-Zeit.“ Spoiler: Am Ende hatte ich zwar 50 Euro weniger im Portemonnaie, aber keine Windeln. Und keine Ahnung, was da eigentlich schiefgelaufen ist.
Die Illusion der Klarheit
Schon auf dem Parkplatz fühlte ich mich wie der Superdad. Kind in der einen Hand, Einkaufskorb in der anderen. Ich hatte sogar eine kleine Liste im Kopf: Windeln, Feuchttücher, vielleicht noch Zahngel für die Kleine. Easy. Rein da.
Und dann passierte es: Ich betrat den Drogeriemarkt und wurde regelrecht erschlagen. Windelgrößen von 0 bis 7, Marken mit Worten wie „ultradünn“, „extra sensitiv“, „maxi+“, „junior dry“ – und das alles in Farben, die mich direkt an Einhornpartys erinnern. Ich war verwirrt. Ich stand da wie ein Tourist in einer U-Bahnstation in Tokio: alles bunt, alles voll, nichts verstanden.
Ich griff einfach mal zu einer Packung, die irgendwie bekannt aussah. Dachte ich. Aber dann fielen mir die Feuchttücher auf. Und das Regal daneben. Und plötzlich hatte ich fünf Artikel im Korb, von denen ich nur bei einem wusste, wofür er eigentlich ist. Mein Kind zupfte an meinem Ärmel und fragte: „Darf ich ein Quetschie?“ Klar. Nimm zwei. Ich hatte sowieso längst die Kontrolle verloren.
Und es wurde nicht besser. Denn sobald ich mich einmal auf diese Irrfahrt eingelassen hatte, war jeder Gang ein neues Minenfeld. Pflegeprodukte für Babys, die aussahen wie Parfumflakons. Spielzeuge, die auf magische Weise in Kinderhände wanderten. Und irgendwo dazwischen: Ich, zunehmend schweißnass und ratlos, mit einem Korb, der immer voller wurde, aber nie das enthielt, wofür ich überhaupt gekommen war.
Von Rasierschaum und Badezusätzen
Irgendwann landete ich in der Männerpflegeabteilung. Warum? Keine Ahnung. Vermutlich, weil ich da wenigstens wusste, wofür die Sachen gut sind. Ich kaufte Duschgel (war im Angebot), Rasierschaum (konnte man bestimmt mal wieder brauchen), ein Bartöl (hab gar keinen Bart). Es fühlte sich gut an. Kurz.
Dann kam ich am Teeregal vorbei. Und erinnerte mich, dass meine Frau doch kürzlich gesagt hatte, dass ihr Magen „so komisch“ sei. Zack, Kräutertee. Dann noch ein Vitaminpräparat – klang gesund – und eine Packung Reinigungstücher für das Bad, weil die Packung so „praktisch“ aussah. Keine Ahnung warum. Einfach so.
Mein Kind hatte inzwischen noch drei weitere Quetschies entdeckt und einen kleinen Glitzerlippgloss, den sie „für Mama“ ausgesucht hatte. Und ich? Ich war zu müde zum Diskutieren. Mein Hirn hatte längst abgeschaltet und der Autopilot war auf „wenigstens irgendwas einkaufen“ eingestellt.
Auf dem Weg zur Kasse stoppte ich nochmal an den Zeitschriften. Vielleicht ein Papa-Magazin? Stattdessen nahm ich eine Fernsehzeitschrift mit, aus Gewohnheit. Wir haben gar kein lineares Fernsehen mehr. Aber in dem Moment wirkte sie vertraut. Verlässlich. Irgendwas musste ich ja mitnehmen, was mich nicht überforderte.
Die Kasse – und das Erwachen
An der Kasse dann der Schock: 50,82 €. Ich grinste verlegen. Mein Kind mampfte zufrieden einen Quetschie. Und ich hatte exakt null Windeln im Wagen. Mission gescheitert. Ich überlegte noch kurz, ob ich zurückrennen sollte. Aber mein Blick fiel auf die Uhr – wir waren seit 45 Minuten da. Das Kind war müde. Ich war müde. Der Plan war gescheitert. Also fuhr ich heim. Mit Badezusätzen, Lippenpflege und einem leicht zerknüllten Kassenzettel.
Auf dem Rückweg wurde ich still. Ich fragte mich, wie viele Väter wohl genau das Gleiche erlebt hatten. Ich fühlte mich plötzlich nicht mehr wie ein Einzelkämpfer, sondern wie ein Teil einer geheimen Bruderschaft – der verlorenen Drogerie-Papas.
Der Blick, der alles sagt
Zuhause gab’s erstmal diesen Blick. Du weißt schon. Den Mama-Blick. Mischung aus Mitleid, Spott und stillem „War ja klar“. Ich legte die Einkäufe auf den Tisch und versuchte es mit einem schiefen Grinsen. „Dafür hab ich Tee mitgebracht!“ Sie hob eine Augenbraue. „Du hattest einen Job…“
Aber dann haben wir gelacht. Weil es so verdammt ehrlich war. Weil es so verdammt Papa war. Weil es zeigt, dass gute Absichten manchmal einfach an bunten Verpackungen scheitern. Und weil es letztlich nicht um den perfekten Einkauf geht – sondern um das Dranbleiben, das Ausprobieren, das Lernen. Auch wenn’s mal 50 Euro kostet.
Was ich beim nächsten Mal anders mache
- Ich schreibe die Windelgröße auf. Wirklich. Ich schwöre.
- Ich lasse mich nicht mehr von bunten Verpackungen hypnotisieren.
- Ich nehme Snacks für das Kind mit – damit nicht der halbe Einkauf aus Quetschies besteht.
- Und vielleicht, ganz vielleicht: Ich gehe einfach nicht mehr allein.
Oder ich nehme es als Übung. Denn, mal ehrlich: Wenn ich irgendwann in der Lage bin, zielstrebig durch eine Drogerie zu laufen, die richtigen Windeln zu greifen und ohne Umwege zur Kasse zu gehen – dann kann mich nichts mehr aufhalten. Dann bin ich offiziell bereit für Elterngespräche, Steuererklärungen und Ikea an einem Samstag.
Vielleicht ist genau das das wahre Training fürs Vatersein: nicht die Wochenbettlektüre oder das Youtube-Video übers richtige Halten des Neugeborenen – sondern das Navigieren durch 100 Regalreihen, während dein Kind eine Packung Kinderpflaster isst.
Bis dahin: Papa übt noch. Und das ist okay. Denn mit jedem überteuerten Einkauf, mit jedem vergessenen Produkt, mit jedem Quetschie mehr im Einkaufsbeutel lerne ich: Perfekt ist langweilig. Echt ist besser.