Es gibt diese Tage, an denen alles anders läuft. Du wachst auf, noch halb im Traum, denkst: „Heute wird ein normaler Tag.“ Und dann hörst du dieses leise Wimmern aus dem Kinderzimmer. Diese Stimme, die sonst morgens freudig „Papa!“ ruft, klingt heute belegt, müde, irgendwie kleiner als sonst. Du legst die Hand auf die Stirn deines Kindes – heiß wie ein Toaster. Mist. Kind krank.
Und in deinem Kopf beginnt das Gedankenkarussell. Wer übernimmt heute was? Wer sagt beim Job ab? Wie lange wird das dauern? Und wie soll ich bitte funktionieren, wenn ich zwischen Fiebersaft, Tränen und To-do-Liste hin- und hergerissen bin? Du merkst schnell: Der Tag ist gelaufen, bevor er angefangen hat.
Die Realität beginnt oft vor dem ersten Kaffee
Noch bevor du die Kaffeemaschine überhaupt anschaltest, hast du schon gefühlt drei Runden durch den Tag gedreht. Windelwechseln, Temperatur messen, Tee kochen, das Lieblingskuscheltier suchen, das scheinbar immer dann verschwindet, wenn man es am dringendsten braucht. Und während du versuchst, dich um dein kleines, fieberndes Bündel Kummer zu kümmern, vibriert dein Handy – Meeting in 30 Minuten. Du willst absagen, aber gleichzeitig weißt du: Du wirst gebraucht. Und zwar überall. Plötzlich fühlt sich der eigene Körper an wie ein Gummiband, das gleichzeitig in zwei Richtungen gezogen wird.
Der Kaffee wird kalt. Der Toast bleibt ungetoastet. Und du – du funktionierst einfach. Du ziehst dein krankes Kind um, findest dich selbst später mit einem Spuckefleck auf dem Shirt wieder, der verdächtig nach Banane riecht. Gleichzeitig tippst du auf dem Smartphone eine Mail: „Ich bin heute nur eingeschränkt erreichbar.“ Das ist Papasprache für: „Ich rette heute Leben im Kinderzimmer und nebenbei mein Arbeitsleben.“
Zwischen Laptop und Löffelchenhaltung
Also versuchst du’s irgendwie zu jonglieren. Du setzt dich mit Laptop aufs Sofa, das Kind eingekuschelt an deiner Seite. Eine Hand streichelt, die andere tippt. „Papa ist da, mein Schatz. Ich mach nur kurz was fertig.“ Und während du versuchst, einen klaren Gedanken zu fassen, hustet dir dein Kind ins Gesicht. Ganz nah. Direkt ins Auge. Willkommen im echten Leben.
Du entwickelst einen neuen Rhythmus: 15 Minuten Mails beantworten, 10 Minuten kuscheln. Drei Löffel Suppe reichen, dann schnell eine Präsentation vorbereiten. Du lernst, während Paw Patrol läuft, Zahlen zu analysieren. Du lernst auch, dass du dabei manchmal falsch rechnest, weil du gleichzeitig aufpassen musst, dass dein Kind nicht die Katzen füttert – mit deiner Zahnbürste. Du erklärst deinem Kind zum zwölften Mal, dass Fieberzäpfchen kein Spielzeug sind – während du versuchst, nicht zu spät zur nächsten Telko zu kommen.
Dein Arm schläft ein, aber du bewegst dich nicht. Denn dein Kind schläft endlich. Auf dir. Schwer atmend. Und du weißt: Jetzt bewegen = alles von vorne. Also bleibst du still, tippst mit der freien Hand weiter Mails und hoffst, dass der Laptop-Akku durchhält.
Das schlechte Gewissen als ständiger Begleiter
Und dann ist da noch dieses Gefühl. Dieses nagende Ding im Magen, das flüstert: „Du bist nicht ganz da.“ Wenn du arbeitest, fühlst du dich wie ein schlechter Vater. Wenn du das kranke Kind hältst, fühlst du dich wie ein unzuverlässiger Kollege. Es ist ein ständiges Dazwischen. Kein Ort fühlt sich richtig an. Alles irgendwie halb.
Manchmal erwischst du dich bei Gedanken wie: „Wenn ich ihn jetzt kurz alleine lasse, nur 10 Minuten, ist das okay?“ Und dann schaust du in die glühenden Augen, das verschwitzte Haar, und bleibst. Natürlich bleibst du. Aber du weißt, was dich das kostet: Zeit, Nerven, vielleicht das nächste Projekt. Und das nächste Mal, wenn der Chef nachfragt, warum deine Antwort so spät kam, sagst du: „Familienzeit“ – obwohl du innerlich denkst: „Notaufnahmezeit. Spuckzeit. Papa-hält-alles-zusammen-Zeit.“
Funktionieren trotz Fieber (nicht deines)
Es ist erstaunlich, wie viel man leistet, wenn man einfach muss. Du denkst nicht drüber nach – du machst. Du telefonierst mit dem Kinderarzt, organisierst Betreuung, informierst den Arbeitgeber, schiebst Termine, kochst Haferbrei, ziehst dein Kind zehnmal um, weil es geschwitzt oder gespuckt hat. Und dazwischen versuchst du, dein Gesicht zu wahren. Beruflich. Privat. Innerlich. Irgendwo auf der To-do-Liste steht auch: Duschen. Aber das rutscht nach unten. Immer weiter.
Ich erinnere mich an einen Tag, da hatte mein Sohn 40 Grad Fieber und ich eine Video-Konferenz mit der Geschäftsführung. Ich saß da im Hemd, aber in Jogginghose, mein Kind auf dem Schoß, halb schlafend, halb weinend. Ich hielt die Kamera so, dass niemand etwas sah – und dachte nur: Was mache ich hier eigentlich? Und gleichzeitig wusste ich: Ich mache, was ich kann. Mehr geht grad nicht.
Und dann bricht alles zusammen, weil du die Medikamentenflasche verlegt hast. Oder der Fiebersaft leer ist. Oder dein Kind zum vierten Mal am Tag das Spucken anfängt – und du weißt, dass die Nacht wieder eine wird, in der du nicht schläfst, sondern überwachst, tröstest, kühlst, streichelst. Und still leidest.
Krank bedeutet nicht „Pause“
Wer denkt, ein krankes Kind bedeutet Entschleunigung, war noch nie alleine mit einem kranken Kind. Es ist ein Vollzeitjob mit Überstunden. Du bist Pfleger, Unterhalter, Tröster, Seelencoach und Animateur in einem. Und während du das tust, musst du funktionieren – beruflich, familiär, menschlich. Du darfst keine Schwäche zeigen, weil das kleine Wesen neben dir gerade deine Stärke braucht.
Das Mittagessen wird zur Herausforderung. Isst es was? Reicht es, wenn es nur ein bisschen Brühe löffelt? Und wehe, du hast keinen Vorrat an Fieberzäpfchen. Dann stehst du abends um 22:30 Uhr in der Notfallapotheke, mit zerzausten Haaren, Augenringen bis zum Knie und dem festen Glauben, du hast deinen Elternführerschein verloren.
Du bist müde, aber nicht kaputt. Du bist überfordert, aber funktionierst. Und das ist irgendwie bewundernswert und traurig zugleich. Und genau so fühlt es sich an.
Und plötzlich ist alles wieder gut (und du krachst zusammen)
Dann kommt dieser eine Morgen. Du wachst auf, hörst ein leises Kichern und siehst dein Kind aufrecht im Bett sitzen. Rote Bäckchen, aber kein Fieber. Plötzlich ist wieder Energie da. Es will spielen. Toben. Springen. Und du? Du bist platt. Komplett. Die Anspannung fällt ab – und mit ihr die Kraft.
Weil du in den letzten drei Tagen auf Autopilot gelaufen bist. Weil du keinen Schlaf hattest, kein richtiges Essen, keine Pause. Weil du funktioniert hast – und jetzt, wo du eigentlich durchatmen könntest, fällt alles von dir ab. Und das ist okay.
Und ja, du wirst vielleicht einen halben Tag brauchen, bis du wieder lächeln kannst. Vielleicht auch zwei. Aber du weißt jetzt: Du hast das geschafft. Du warst da. Voll und ganz. So, wie dein Kind dich gebraucht hat.
Fazit: Wir dürfen uns selbst nicht vergessen
Wenn das Kind krank ist, wird alles andere unwichtig. Klar. Aber wir Papas dürfen nicht vergessen, dass auch wir Grenzen haben. Dass wir nicht alles gleichzeitig können. Und dass „funktionieren“ nicht gleichbedeutend mit „gut machen“ ist.
Es reicht manchmal, einfach da zu sein. Ehrlich, liebevoll, müde, aber präsent. Und wenn du in der Nacht zum dritten Mal aufstehst, um den fiebernden Kopf zu kühlen, dann darfst du dir morgens auch mal einen zweiten Kaffee gönnen. Oder einen Moment Pause. Ohne schlechtes Gewissen.
Denn eins ist sicher: Dein Kind wird sich nicht daran erinnern, ob du alle Mails rechtzeitig abgeschickt hast. Aber es wird sich erinnern, dass du da warst. Mit warmem Tee, ruhiger Stimme und einer Hand, die nie losgelassen hat. Und das ist das Wichtigste.