Als werdender Vater weißt du irgendwie, dass der Moment kommt. Dieser eine Moment, in dem das Handy klingelt oder deine Frau dich mit diesem Blick ansieht – du weißt schon, der „Es-geht-los“-Blick. Bei mir war’s halb zwei nachts, ich hatte gerade Chips und Netflix am Start, als meine Frau sagte: „Ich glaube, es ist soweit.“ Und damit begann mein ganz persönlicher Kreißsaal-Marathon. Ohne Training, ohne Plan – aber mit jeder Menge Herzklopfen.
Der Countdown läuft: Wenn der Koffer gepackt ist, aber du nicht
Ich dachte ja, wir wären gut vorbereitet. Kliniktasche gepackt, Playlist erstellt, Fahrtroute gecheckt. Und trotzdem fühlte ich mich in dem Moment wie ein Erstklässler vor dem Mathetest. Während meine Frau erstaunlich ruhig war, hatte ich das Gefühl, mein Puls macht gerade Bungee-Jumping. Und das sollte erst der Anfang sein.
Die Autofahrt zur Klinik war ein Mix aus Rallye Paris-Dakar und romantischer Komödie. Ich versuchte, cool zu bleiben, aber mein innerer Panikknopf war schon auf Dauerbetrieb. Und dann dieser Moment an der Krankenhauspforte: „Wer sind Sie?“ – „Der Vater!“ – „Aha.“ Und schwupps, waren wir drin.
Die große Stunde(n): Zwischen Anfeuern und Ohnmacht
Im Kreißsaal angekommen, verwandelte ich mich plötzlich in eine Mischung aus Cheerleader, Animateur und Händchenhalter. Meine Frau veratmete die Wehen wie ein Profi, während ich versuchte, ihre Hand zu halten – ohne dabei wegzuklappen.
Ganz ehrlich: Ich war drauf vorbereitet, alles zu geben. Aber niemand hatte mir gesagt, wie lang sich Minuten anfühlen können, wenn deine Partnerin Schmerzen hat und du nix tun kannst. Ich stand da, ein bisschen überfordert, ein bisschen überflüssig – aber mit dem festen Willen, für sie da zu sein. Und das war’s, was zählte.
Zwischendurch versuchte ich, Smalltalk mit der Hebamme zu machen. Nicht, weil ich gesellig bin – sondern weil mein Gehirn Ablenkung brauchte. Dabei kam raus, dass ich ungefähr so viel Ahnung von Geburten hatte wie von Quantenphysik. Aber: Ich lernte schnell. Jede neue Phase – ob Eröffnungswehen oder Übergangsphase – war wie ein neues Level im schwierigsten Game meines Lebens.
Wenn Ärzte sprechen und du nur Bahnhof verstehst
Im Kreißsaal laufen Gespräche manchmal so ab, als wäre man in einer medizinischen Netflix-Serie gelandet – nur ohne Untertitel. CTG, PDA, Muttermund 6 Zentimeter – ich nickte, als hätte ich alles verstanden. Innerlich aber googelte mein Hirn auf Hochtouren.
Aber weißt du was? Irgendwann lässt du das Grübeln sein. Du bist einfach da, atmest mit, streichelst Stirn, hältst Händchen. Du wirst vom Zuschauer zum Mitspieler. Und das ist gar nicht so schlecht.
Einmal wurde meine Frau gefragt, ob sie eine PDA wolle. Ich dachte, das sei ein Medikament gegen Rückenschmerzen. Spoiler: Ist es auch irgendwie, aber halt in einer anderen Liga. Ich sah die Nadel und hätte fast selbst eine gebraucht.
Und dann ist da noch dieses irre Gefühl, wenn du merkst: Du bist nicht mehr der wichtigste Mensch im Raum – und das ist vollkommen okay. Alles dreht sich um sie und das Baby, und du bist einfach da, mittendrin, irgendwie hilflos, aber auch stolz wie Bolle.
Der magische Moment – und der Papa-Flash
Und dann… der Moment. Der Moment, in dem du dein Kind zum ersten Mal siehst. Plötzlich ist alles andere egal. Kein Schlaf, kein Stress, keine Angst – nur dieses kleine Wesen.
Ich erinnere mich noch genau: Ich hatte Tränen in den Augen, war völlig durch – und gleichzeitig der stolzeste Typ im Raum. Dieser Flash, den man da erlebt, ist mit nichts zu vergleichen. Du bist fix und fertig, aber du bist Papa. Und das ist der Wahnsinn.
Was viele nicht erzählen: Dieser Moment kann auch chaotisch sein. Es ist laut, hektisch, es wird geschoben, gewischt, gedrückt – und mitten drin entsteht Leben. Trotzdem ist es magisch. Ich hätte nie gedacht, dass ich in dieser Ausnahmesituation so viel Liebe auf einmal spüren kann.
Du vergisst die Uhrzeit, den Schmerz in den Beinen vom Stehen, das flaue Gefühl im Magen – alles weg. Da ist nur noch dieser Moment. Dieses kleine Wesen, das plötzlich da ist und dich mit einem Blick völlig aus der Bahn wirft.
Die erste Stunde danach: Wenn die Welt stillsteht
Während meine Frau mit der Hebamme sprach, saß ich da mit meinem Baby auf dem Arm. Ich – der Typ, der zwei Stunden vorher noch dachte, er klappt gleich um – saß da, ganz ruhig. Ich glaube, ich habe in dem Moment mehr über mich gelernt als in den letzten zehn Jahren.
Diese erste Stunde war wie ein kleiner Reset-Knopf. Alles war neu, alles war echt. Und obwohl ich übernächtigt, verschwitzt und emotional völlig leer war – ich war glücklich. So richtig.
Ich sprach mit meinem Sohn – obwohl er natürlich nix verstand. Ich versprach ihm Dinge, an die ich mich hoffentlich für immer erinnern werde. Dass ich da sein werde. Dass ich mein Bestes gebe. Und dass er jetzt bitte erstmal schlafen möge, weil Papa dringend Kaffee braucht.
In dieser Stunde entstand so etwas wie ein unausgesprochenes Band. Ich war plötzlich nicht mehr nur Mann und Partner, ich war Vater. Mit allem, was dazugehört – inklusive dieser leisen, neuen Angst, jetzt wirklich Verantwortung zu tragen. Aber auch mit einem neuen Stolz, der nicht laut ist, sondern tief sitzt.
Fazit: Du musst kein Held sein – nur da
Wenn du in den Kreißsaal gehst, wirst du nicht vorbereitet sein – und das ist okay. Du wirst schwitzen, zweifeln, vielleicht sogar einen dummen Spruch zu viel bringen. Aber das Wichtigste ist: Sei da. Bleib bei ihr. Halte Händchen, auch wenn dir selbst danach ist, loszulassen.
Denn dieser Moment gehört euch beiden. Und glaub mir: Du wirst nie wieder so schnell wachsen wie in diesen Stunden.
Also: Pack deine Unsicherheit ein, zieh dir bequeme Schuhe an – und geh mit rein. Du wirst’s nicht bereuen. Und vielleicht – ganz vielleicht – wirst du nach all dem Chaos im Kreißsaal rauskommen und denken: Das war der Anfang von allem.