Ich weiß nicht mehr genau, wann wir uns dafür angemeldet haben – es war irgendwo zwischen „Oh Gott, wir brauchen eine Wickelkommode“ und „Wie heißt eigentlich unsere Hebamme nochmal?“. Auf jeden Fall stand da irgendwann ein Geburtsvorbereitungskurs im Kalender. Acht Abende, jeweils zwei Stunden. Und ich dachte noch: Klar, kriegen wir hin. Was soll da schon groß passieren?
Tja. Ich war naiv. Und ich habe gelacht, gestaunt, geschwitzt – aber vor allem viel gelernt. Über die Geburt. Über meine Frau. Und über mich.
Der erste Abend: Die große Runde der Ungewissheit
Wir kamen in einen Raum mit Yogamatten, Sitzkissen und Wasser in Glasflaschen. Ich fühlte mich wie in einem Achtsamkeitsseminar. Um uns herum Paare, die genauso nervös wirkten wie wir – und eine Frau in Leinenhose, die sich als Hebamme und Kursleiterin vorstellte. Freundlich, aber mit dem Blick einer Frau, die schon 100 Männer gesehen hat, die sich fragen: „Was mache ich hier eigentlich?“
Dann die erste Runde: „Stellt euch kurz vor und sagt, was ihr euch vom Kurs erhofft.“ Ich wollte sagen: „Dass ich nicht in Ohnmacht falle, wenn’s losgeht.“ Sagte aber stattdessen irgendwas von „besser vorbereitet sein“.
Und während ich sprach, merkte ich: Ich meine es ernst. Ich will da wirklich was mitnehmen. Nicht nur für den Kreißsaal, sondern für uns.
Die Sache mit dem Atmen (und warum ich fast erstickte)
Am zweiten Abend ging’s los mit Atemübungen. „Tieeeef in den Bauch einatmen… und laaaangsam wieder aus.“ Meine Frau neben mir atmete wie ein Profi. Ich klang, als würde ich eine Tuba auf Lunge spielen. Aber hey, ich gab mein Bestes.
Dann sollten wir gemeinsam Atemrhythmen üben – für die Geburt. Also wirklich mit Tönen. „Haaaah… pfff… huuuh…“ Ich fühlte mich wie ein Blasebalg mit Sprechfehler. Und trotzdem: Ich sah meine Frau an, und sie lächelte. Nicht aus Mitleid. Sondern weil ich da war. Und mitmachte.
Später zu Hause meinte sie: „Das war schön. Dass du das ernst nimmst.“ Und plötzlich fühlte sich dieser alberne Abend ziemlich bedeutend an.
Männer unter sich – das geheime Band der Stirnrunzler
Es gab diesen einen Abend, an dem die Kursleiterin uns Männer extra ansprach. „Ihr seid mehr als nur Begleiter – ihr seid Geburtshelfer, emotionaler Anker, Rückenhalter.“ Wir nickten alle. Einer hatte sogar einen Notizblock dabei. Respekt.
Und trotzdem war da dieser unausgesprochene Blick zwischen uns Männern. Eine Mischung aus: „Ich will alles richtig machen“ und „Ich hoffe, ich darf sitzen bleiben und muss nicht mit dem Gymnastikball wippen.“
Später standen wir in der Pause zusammen. Kein Smalltalk über Fußball, sondern: „Habt ihr schon einen Namen?“ – „Wie lange wollt ihr Elternzeit nehmen?“ – „Habt ihr Angst?“ Ich fand das stark. Weil wir uns plötzlich nicht mehr nur als Typen gegenüberstanden, sondern als Männer, die bald Papas werden. Und die alle einen riesigen Respekt vor dem haben, was kommt.
Ein Typ erzählte, dass er Angst vor der Geburt hat – vor der Ohnmacht, vor dem Blut, vor dem Gefühl, nichts tun zu können. Und es war mucksmäuschenstill. Niemand lachte. Alle nickten. Einer meinte: „Geht mir genauso.“
Der Ball, das Becken und mein innerer Knoten
Ich kann nicht sagen, dass ich vorher viel über Beckenbodenmuskulatur nachgedacht habe. Aber nach diesem Kursabend hatte ich das Gefühl, ich könnte Vorträge darüber halten. Die Hebamme ließ uns auf Gymnastikbällen sitzen, rollen, kreisen – „damit ihr ein Gefühl dafür bekommt, was der Körper eurer Partnerin gerade leistet.“
Ich sag’s mal so: Mein Gefühl war eine Mischung aus Muskelkater und Fremdscham. Aber meine Frau? Die fand’s klasse, dass ich’s überhaupt gemacht habe. Und als ich mich beim Runtersteigen vom Ball fast hingelegt hab, hat sie so herzlich gelacht wie lange nicht mehr.
In dem Moment hab ich verstanden: Es geht nicht darum, dass ich perfekt bin. Es geht darum, dass ich mitmache. Dass ich da bin. Dass sie sieht: Ich nehme das ernst. Ich nehme sie ernst.
Theorie, die in den Kopf geht – und ins Herz
Natürlich gab es auch viel Input: Phasen der Geburt, Schmerzmittel, Kliniktasche, Damm-Massage (oh ja), und was ein Blasensprung eigentlich ist. Ich war überrascht, wie viel ich nicht wusste – und wie beruhigend es war, das gemeinsam zu lernen.
Ich verstand plötzlich Dinge, über die ich vorher nie nachgedacht hatte: Dass die Geburt kein „Event“ ist, sondern ein Prozess. Dass es Zwischenphasen gibt, Zweifel, Erschöpfung. Dass meine Aufgabe nicht nur ist, Händchen zu halten – sondern emotional da zu sein. Grenzen zu schützen. Entscheidungen mitzutragen.
Einmal zeigte uns die Hebamme eine Atemtechnik für Wehen, und ich dachte: „Das wirkt ja echt.“ Und dann sagte sie: „Und wenn ihr merkt, dass sie damit nicht klarkommt, versucht es anders. Ihr kennt sie. Vertraut euch.“
Bäm. Da war er – der Moment, in dem ich begriff: Hier geht’s um uns. Nicht um Theorie. Um Verbindung.
Der Moment, der alles verändert hat
Am vorletzten Abend sollten wir gemeinsam eine „Geburtssimulation“ durchspielen. Nein, kein Rollenspiel mit Verkleidung – aber mit echten Elementen: Geräusche, Positionen, Situationen. Ich sollte meine Frau unterstützen, ihr helfen, die Atmung mitmachen, sie halten. Und plötzlich war alles echt. Sie drückte meine Hand, ich hörte ihren Atem, spürte ihre Anspannung. Und ich merkte: Ich hab keine Angst mehr. Ich fühl mich bereit. Nicht perfekt, aber bereit.
Wir gingen zusammen aus dem Raum, und sie sagte leise: „Ich glaube, du wirst das gut machen.“ Und ich konnte nur nicken. Weil ich genau das auch gedacht hatte.
Kleine Anekdoten am Rande – was wirklich hängen bleibt
Natürlich gab es auch die Momente, die wir heute noch erzählen. Der Typ, der bei der Übung „Wie unterstütze ich in der Eröffnungsphase?“ aus Versehen eine Duftkerze statt ein Massageöl erwischt hat. Der andere, der beim „Atmen durch die Wehe“ plötzlich so laut schnaufte, dass die halbe Gruppe in Gelächter ausbrach.
Und ich? Ich habe beim ersten Versuch, den perfekten „Stützhalt“ für meine Frau zu finden, beinahe selbst eine Zerrung bekommen. Aber wir haben gelacht. Zusammen. Und genau darum geht’s doch: Es locker nehmen. Und ernst meinen.
Die große Erkenntnis am Schluss
Wenn ich heute zurückblicke, dann war dieser Geburtsvorbereitungskurs kein Pflichttermin auf der Baby-Checkliste. Es war unser erstes gemeinsames Projekt als werdende Eltern. Ich habe mehr über meine Frau gelernt, als ich je gedacht hätte. Und ich habe mehr über mich gelernt, als mir manchmal lieb war.
Was bleibt? Das Wissen, dass Mut nicht heißt, keine Angst zu haben. Sondern trotzdem da zu sein. Mit Schweißflecken unter den Armen, leichtem Stirnrunzeln – und ganz viel Herz.
Fazit: Zwischen Peinlichkeit und Partnerschaft wächst was Echtes
Dieser Kurs war mehr als ein Pflichttermin. Er war ein Abenteuer. Ein Raum, in dem ich mich getraut habe, Fragen zu stellen, die ich sonst nicht gestellt hätte. In dem ich erfahren habe, wie stark meine Frau ist. Und wie viel ich tun kann – auch wenn ich am Ende „nur“ daneben stehe.
Wenn du also überlegst, ob du so einen Kurs mitmachen sollst: Tu’s. Mach dich zum Affen, wenn’s sein muss. Atme mit, roll über den Ball, stell deine dummen Fragen. Denn das, was du dabei lernst, ist nicht nur für die Geburt wichtig – sondern für alles, was danach kommt.
Und das Sitzkissen? Das nehm ich mit. Für den Kreißsaal. Oder später fürs Kinderzimmer. Und vielleicht denk ich dann zurück an diese Abende – und an das Gefühl, zum ersten Mal wirklich Papa zu sein.