Ich erinnere mich noch genau an diesen Moment in der Drogerie. Ich stand mit Windeln, Feuchttüchern und einem Gläschen Pastinake in der Hand an der Kasse, als die Verkäuferin mich freundlich, aber überrascht anlächelte und sagte: „Na, heute mal Babysitten, was?“ Babysitten. Mein eigenes Kind.
Ich hab gelächelt. Wie so oft. Weil diskutieren in solchen Momenten einfach nur Kraft kostet. Aber innerlich war ich genervt. Und traurig. Weil dieser Satz so viel mehr sagt, als es auf den ersten Blick scheint. Er sagt: Papa ist die Vertretung. Nicht das Original. Der nette Helfer, der einspringt, wenn Mama verhindert ist. Und das muss aufhören.
Die Elternrolle ist kein Wettbewerb – aber auch kein Einbahnstraße
Wir Papas sind nicht die zweite Geige. Wir sind nicht die Backup-Besetzung. Wir sind Eltern. Genau wie Mamas. Mit Herz, mit Verantwortung, mit Sorgenfalten und Augenringen. Und ja – ohne Babybauch. Aber mit all dem, was danach kommt. Den schlaflosen Nächten. Den ersten Zähnchen. Den Tränen auf dem Spielplatz. Den Geduldsproben beim Zähneputzen. Wir sind da. Jeden Tag.
Und doch werden wir oft übersehen. In der Werbung, im Alltag, in Gesprächen auf dem Spielplatz. „Ist die Mama denn krank?“ wird gefragt, wenn ich allein mit meinem Kind unterwegs bin. Oder: „Du machst das aber gut für einen Papa!“ – als wäre das eine Ausnahme und kein Standard.
Sichtbarkeit beginnt im Kleinen – und hat eine große Wirkung
Es sind diese kleinen Dinge, die zeigen, wie tief dieses Denken noch sitzt. In Eltern-Kursen, wo man mich irritiert anschaut. In Arztpraxen, wo die Mütter automatisch angesprochen werden, selbst wenn ich direkt daneben stehe. In Medien, wo Papas entweder tollpatschig oder heldenhaft dargestellt werden – aber selten einfach nur als normale, ganz alltägliche Eltern.
Dabei sind wir viele. Und wir wollen gesehen werden. Nicht als Ausnahme, sondern als Teil des Normalen. Als selbstverständlicher Teil des Familienlebens. Nicht als Zusatz, sondern als feste Säule.
Zwischen Wickeltisch und Videokonferenz: Der neue Papa-Alltag
Ich kenne viele Väter, die alles geben. Die morgens Brotdosen schmieren, mittags Meetings leiten und abends Geschichten vorlesen, bis die Stimme versagt. Die bei Elternabenden sitzen, bei der Eingewöhnung dabei sind, beim Kinderarzt Fragen stellen und nachts das fiebernde Kind durch die Wohnung tragen.
Wir machen das nicht, um Applaus zu bekommen. Wir machen das, weil wir Väter sind. Weil es unser Kind ist. Weil wir dazugehören. Und weil wir wollen, dass unsere Kinder sehen: Papa ist da. Immer.
Aber um das leben zu können, brauchen wir auch Raum. Und Anerkennung. In der Gesellschaft. In der Arbeitswelt. Und manchmal auch in der eigenen Familie.
Gleichberechtigung braucht beide Seiten – auch in der Wahrnehmung
Oft wird über Vereinbarkeit gesprochen – aber meist im Zusammenhang mit Müttern. Klar, Mamas leisten Unglaubliches. Aber wir Papas eben auch. Und wenn wir wirklich Gleichberechtigung wollen, dann muss auch unsere Rolle als Elternteil genauso sichtbar, ernstgenommen und unterstützt werden.
Das fängt bei banalen Dingen an: Wickeltische auf Herrentoiletten. Elternzeit ohne schiefe Blicke. Teilzeitmodelle, die auch für Väter selbstverständlich sind. Und hört bei der inneren Haltung noch lange nicht auf: Ein Vater, der ein krankes Kind betreut, „fehlt“ nicht auf der Arbeit – er erfüllt seine Verantwortung.
Papa-Sein ist mehr als Versorgung – es ist Beziehung
Ich will nicht nur funktionieren. Ich will prägen. Da sein. Nah sein. Mein Kind aufwachsen sehen. Seine Fragen beantworten. Seine Welt mit ihm entdecken. Und dazu gehört eben auch: Verantwortung übernehmen. Entscheidungen treffen. Gefühle zeigen.
Das ist kein „Extra“. Das ist Vaterschaft. Und sie hat genauso viel Wert, Tiefe und Bedeutung wie Mutterschaft – auch wenn sie anders aussieht. Auch wenn sie keinen Bauch hervorbringt, sondern Rückenschmerzen vom Tragen. Auch wenn sie nicht mit Geburtswehen startet, sondern mit einem schiefen Blick im Elterncafé.
Warum Sichtbarkeit kein Luxus ist, sondern Notwendigkeit
Wenn wir wollen, dass sich wirklich etwas ändert – im Denken, in der Gleichstellung, im Alltag – dann müssen Papas sichtbarer werden. In allen Bereichen.
In der Werbung. In der Politik. In Büchern. In Serien. In Ratgebern. In Umfragen. In Medien. In Sprache.
Nicht als Helden. Nicht als Clowns. Sondern als das, was wir sind: Menschen mit Verantwortung. Männer mit Herz. Eltern mit vollem Einsatz.
Denn wenn wir sichtbarer werden, wird es für die nächste Generation ganz normal sein, dass Papas genauso dazugehören. Dass sie genau so trösten, lachen, weinen, erziehen, tragen, tanzen, erzählen, zuhören, Grenzen setzen, Unsinn machen, Geduld haben – wie Mamas eben auch.
Persönlich: Mein Weg zur Sichtbarkeit
Ich geb’s zu: Auch ich habe gebraucht, bis ich meine Rolle wirklich angenommen habe. Bis ich laut gesagt habe: Ich bin Papa – und das ist nicht weniger wert. Ich habe gezögert, als ich Teilzeit beantragt habe. Ich habe geschluckt, wenn Kolleg*innen gefragt haben, ob ich denn „schon wieder einen Kinderarzttermin“ habe. Ich habe mich klein gemacht, obwohl ich Großes geleistet habe.
Aber ich wachse. Jeden Tag. Mit jedem Trotzanfall. Mit jeder Gute-Nacht-Geschichte. Mit jedem Moment, in dem ich merke: Mein Kind sieht mich. Als Papa. Und das ist das größte Geschenk.
Fazit: Kein Bauch, aber Haltung
Wir Papas tragen keinen Babybauch. Aber wir tragen Verantwortung. Wir tragen unsere Kinder. Wir tragen die Last des Alltags, die Sorgen der Zukunft, die Hoffnungen und Träume unserer Familien. Und wir machen das gern. Aber wir wollen auch gesehen werden.
Nicht als Ausnahme. Nicht als Bonus. Sondern als das, was wir sind: Väter. Eltern. Menschen mit Herz und Rückgrat.
Wenn du also das nächste Mal einen Papa siehst, der sein Kind trägt, wickelt, tröstet, füttert, herzt – dann denk nicht „Wow, wie engagiert!“, sondern denk einfach: Ganz normal. So wie es sein soll.
Denn Sichtbarkeit ist kein Applaus. Es ist ein Recht.