Babyzeit & GeburtSchwangerschaft aus Papa-SichtPapa & Hormone: Wie ich lernte, bei Tränen einfach dazubleiben

Papa & Hormone: Wie ich lernte, bei Tränen einfach dazubleiben

Manchmal braucht es keine Lösung. Sondern nur einen, der bleibt.

Es gibt diese Situationen im Leben, auf die kann dich niemand vorbereiten. Keine Schule, kein Ratgeber, kein Kumpelabend bei Bier und Grillwurst. Und genau so ein Moment traf mich – oder besser gesagt: überrollte mich – irgendwann im dritten Schwangerschaftsmonat meiner Frau. Wir saßen abends auf dem Sofa, ein Glas Tee in ihrer Hand, mein Arm locker über ihre Schulter gelegt. Alles war ruhig. Und plötzlich: Tränen. Keine Vorwarnung, kein Streit, kein offensichtlicher Grund. Einfach nur Tränen.

Ich dachte zuerst, ich hätte etwas Falsches gesagt. Oder vergessen. Oder nicht genug gefragt. Ich fing an, in meinem Kopf die letzten zehn Minuten durchzuscannen, wie so ein Überwachungsprogramm im Panikmodus. Aber das Einzige, was sie sagte, war: „Ich weiß auch nicht. Ich bin einfach traurig.“ Und ich? Ich war komplett überfordert. Willkommen im Club der hormonellen Realität.

Wenn Gefühle plötzlich Achterbahn fahren

Ich hatte ja schon davon gehört. Hormone, Stimmungsschwankungen, emotionale Ausbrüche – all das wird in den meisten Schwangerschaftsratgebern wie ein beiläufiger Nebensatz behandelt. Aber wenn man als werdender Vater plötzlich live daneben sitzt, ist das was ganz anderes. Dann ist da nicht einfach ein „emotionales Tief“, sondern deine Partnerin, die dich mit tränenfeuchten Augen anschaut und nichts will – außer dass du da bist. Nicht erklärst. Nicht analysierst. Nicht besser machst. Einfach nur da bist.

Das war die erste Lektion für mich: Nicht alles muss gelöst werden. Manches muss einfach nur begleitet werden. Und das fiel mir am Anfang echt schwer. Ich bin so ein Typ: Wenn’s irgendwo hakt, wird geschraubt. Wenn jemand traurig ist, suche ich nach Gründen. Nach Lösungen. Aber hier? Keine Chance.

Die Kraft des Dableibens

Ich erinnere mich an einen Abend, da hatte ich mir richtig Mühe gegeben. Ich kam mit Schokolade an, hatte ihren Lieblingsfilm rausgesucht, sogar eine Wärmflasche vorbereitet. Und trotzdem saß sie da, die Tränen liefen, und sie sagte nur: „Ich fühl mich so allein.“ Das tat weh. Nicht, weil ich beleidigt war – sondern weil ich merkte, dass ich’s nicht in der Hand hatte. Dass ich nicht kontrollieren konnte, was sie fühlte. Und dass meine „Hilfsangebote“ manchmal eher wie gut gemeinte Ablenkungen wirkten, aber nicht das trafen, was sie wirklich brauchte.

Also habe ich irgendwann einfach nur meine Hand genommen und ihre gehalten. Keine Tipps. Kein „Wird schon wieder“. Nur Ruhe. Nähe. Präsenz. Und das war der Moment, in dem ich begriff, dass genau das vielleicht die größte Form von Unterstützung ist, die wir geben können.

Hormone – diese unsichtbaren Mitbewohner

Ich hab später angefangen, mich ein bisschen mehr damit zu beschäftigen. Nicht weil ich plötzlich Medizin studieren wollte, sondern weil ich’s verstehen wollte. Diese ganzen Hormonumstellungen in der Schwangerschaft sind nicht einfach „Launen“, sondern echte, körperlich-chemische Prozesse, die alles durcheinanderwirbeln: Schlaf, Hunger, Gefühle, Gedanken. Es ist wie eine Achterbahnfahrt mit verbundenen Augen – und du sitzt direkt daneben.

Das half mir, mehr Geduld zu entwickeln. Nicht nur mit ihr, sondern auch mit mir selbst. Denn ja, auch ich war manchmal genervt. Überfordert. Unsicher. Ich hatte das Gefühl, auf rohen Eiern zu laufen, weil ich nie wusste: Ist das jetzt ein normales Gespräch oder gleich der Beginn einer Tränenflut? Und gleichzeitig wollte ich stark sein. Der Fels in der Brandung. Der Typ, auf den man sich verlassen kann.

Aber stark sein heißt eben manchmal nicht: Lösungen liefern. Sondern mit aushalten. Mitfühlen. Dazubleiben.

Kommunikation ohne Bauplan

Was ich in dieser Zeit gelernt habe: Reden hilft. Nicht unbedingt in dem Moment, in dem alles über sie hereinbricht. Aber davor und danach. Ich hab angefangen, mehr Fragen zu stellen. Nicht die klassischen „Wie geht’s dir?“ – sondern gezielter. „Was brauchst du gerade?“ „Willst du, dass ich was sage oder einfach nur da bin?“ „Magst du drüber reden oder lieber schweigen?“

Und ich habe gelernt, meine eigenen Gefühle anzusprechen. Nicht als Vorwurf, sondern als Teil unseres Miteinanders. „Ich fühl mich gerade hilflos.“ „Ich will dir helfen, aber ich weiß nicht wie.“ Das hat uns näher gebracht. Weil sie gemerkt hat: Ich bin da. Und ich bemühe mich. Und ich bin ehrlich.

Das war vielleicht das Wichtigste: nicht den starken Papa zu spielen, sondern der zu sein, der echt bleibt. Auch mit Unsicherheiten.

Diese Tage, an denen nichts logisch ist

Es gab Tage, da war einfach alles zu viel. Die Jogginghose war „nicht bequem genug“, das Sofa „falsch“, die Luft „irgendwie komisch“. Ich hab versucht, nicht alles auf die Goldwaage zu legen. Und gleichzeitig: nicht zynisch zu werden. Denn klar, irgendwann lacht man darüber. Aber in dem Moment war es für sie einfach real. Und wenn man jemanden liebt, dann nimmt man auch die irrationalen Momente ernst.

Ich erinnere mich an einen Sonntagnachmittag. Wir wollten eigentlich nur spazieren gehen. Sie zog sich drei Mal um. War unzufrieden. Wütend. Dann wieder traurig. Am Ende saßen wir in Jacke und Mütze auf dem Sofa, ohne einen Schritt vor die Tür gemacht zu haben. Und das war okay. Wir saßen einfach nur da. Ich hab sie gehalten. Und irgendwann war es wieder gut.

Wie ich lernte, mitzufühlen statt zu funktionieren

Was ich in dieser Phase ganz neu verstanden habe: Emotionale Begleitung ist keine Schwäche. Es ist vielleicht die größte Stärke, die man als werdender Vater entwickeln kann. Nicht alles managen wollen. Nicht alles wegmoderieren. Sondern einfach mitgehen. Mittragen.

Natürlich bin ich nicht perfekt. Es gab auch die Momente, in denen ich genervt war. Genervt, weil ich nichts „richtig“ machen konnte. Weil ich das Gefühl hatte, dass ich bei jeder Kleinigkeit aufpassen musste. Aber immer, wenn ich das Gefühl hatte, den Überblick zu verlieren, hab ich mir gesagt: „Das ist nicht gegen dich. Das ist für euch beide.“ Denn diese emotionalen Ausbrüche – sie waren Teil der Schwangerschaft. Teil unseres Weges als werdende Eltern.

Und irgendwann kommt der Punkt, an dem du nicht mehr fragst: „Warum weint sie schon wieder?“ Sondern sagst: „Ich bin hier. Lass raus, was raus muss.“ Und manchmal reicht dann ein Taschentuch. Oder ein stummes Nicken. Oder einfach ein Tee. Mit Honig. Natürlich mit Honig.

Und was ist mit mir?

Ein Punkt, den ich erst spät verstanden habe: Auch ich bin Teil dieser Gefühlswelt. Auch wenn ich nicht schwanger bin, auch wenn mein Körper keine Hormone produziert – mein Alltag verändert sich, meine Gedanken, meine Rolle. Ich bin werdender Vater. Und das bringt eigene Unsicherheiten mit sich. Darf ich auch mal durchhängen? Mich überfordert fühlen? Genervt sein? Ja. Unbedingt.

Ich habe irgendwann angefangen, mir kleine Auszeiten zu nehmen. Keine Flucht, sondern bewusstes Krafttanken. Ein Spaziergang allein. Ein Abend mit einem Kumpel, bei dem ich mal nicht über Kinderwagen rede. Oder einfach zehn Minuten mit Kopfhörern auf dem Balkon. Nicht, weil ich „weg“ wollte – sondern weil ich bleiben können wollte. Emotional verfügbar sein heißt auch: für sich selbst sorgen.

Und weißt du was? Je besser ich für mich selbst gesorgt habe, desto besser konnte ich für sie da sein. Diese Erkenntnis kam spät, aber sie war goldwert.

Gemeinsam wachsen

Was ich heute, rückblickend, sagen kann: Diese Phase hat uns zusammengeschweißt. Nicht, weil alles rosarot war. Sondern weil wir gemeinsam durch chaotische, unsichere, emotionale Momente gegangen sind – ohne einander loszulassen. Ich habe gelernt, dass Nähe nicht immer laut ist. Dass Zuhören manchmal mehr sagt als tausend Ratschläge. Und dass Liebe oft ganz leise passiert – im Dableiben, im Mitfühlen, im Zusammenhalten.

Wenn du also gerade mitten in dieser Phase steckst, lieber Papa in Spe, dann sag ich dir: Du musst nicht perfekt sein. Du musst nur da sein. Du musst nicht alles verstehen. Aber du kannst offen sein. Und ehrlich. Und liebevoll. Und manchmal ist das schon mehr, als du denkst.

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